Die Insel Corvo ist die kleinste und nordwestlichste Insel der Inselgruppe der Azoren im Atlantischen Ozean. Sie gehört zu Portugal und bildet zusammen mit der Nachbarinsel Flores die sogenannte „Westgruppe“ der Azoren. Trotz ihrer geringen Größe von nur ca. 17 km² hat Corvo eine faszinierende Geschichte, die von Entdeckungen, Besiedlung und Herausforderungen geprägt ist.
Frühe Entdeckung und Besiedlung
Die Azoren wurden wahrscheinlich um 1427 von portugiesischen Seefahrern unter der Führung von Diogo de Silves entdeckt. Die Insel Corvo wurde zum ersten Mal 1452 von portugiesischen Kartographen schriftlich erwähnt. Ursprünglich wurde Corvo als „Ilha de São Tomás“ bezeichnet, später setzte sich der Name „Corvo“ durch, was auf die große Anzahl von Rabenvögeln (portugiesisch „corvos“) hinweisen könnte.
Die erste Besiedlung erfolgte vermutlich um 1500, als Siedler aus Flores auf Corvo Vieh weideten. Eine dauerhafte Besiedlung erfolgte erst später, da die Insel aufgrund ihrer isolierten Lage und der rauen Bedingungen nicht leicht zu besiedeln war. Die Bewohner betrieben hauptsächlich Ackerbau und Viehzucht, da der karge Boden nur wenig Ackerbau zuließ.
Piratenangriffe und wirtschaftliche Herausforderungen
Im 16. und 17. Jahrhundert war Corvo – wie viele andere Inseln der Azoren – häufig Piratenüberfällen ausgesetzt. Besonders gefürchtet waren die Überfälle nordafrikanischer Korsaren und englischer Freibeuter, die versuchten, die Siedlungen zu plündern und die Bewohner zu entführen. Aufgrund dieser Bedrohungen ging die Bevölkerung Corvos stark zurück und die Insel stand zeitweise kurz vor der völligen Verödung.
Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten auf Corvo waren schon immer groß. Die geringe Fläche der Insel und die schwierigen klimatischen Bedingungen ließen nur geringe landwirtschaftliche Erträge zu. Der Anbau von Getreide, Wein und Gemüse reichte oft nicht aus, um die Bewohner zu ernähren. Die Bevölkerung war daher auf den Handel mit Flores und den anderen Azoreninseln angewiesen. Die Viehzucht – insbesondere die Haltung von Kühen und Schafen – spielte eine zentrale Rolle für die Selbstversorgung der Insel.
19. und 20. Jahrhundert: Fortschritt und Emigration
Im 19. Jahrhundert verbesserte sich die Lebensqualität auf Corvo allmählich. Die Einführung moderner landwirtschaftlicher Methoden, der Ausbau der Infrastruktur und der verstärkte Austausch mit den Nachbarinseln führten zu einer Stabilisierung der Wirtschaft. Dennoch blieb die Insel stark von externen Faktoren abhängig.
Im 20. Jahrhundert verstärkte sich die Abwanderung der Bevölkerung. Viele Einwohner suchten bessere Lebensbedingungen in den USA und Kanada. Vor allem in den 1950er und 1960er Jahren verließen viele Corvinos ihre Heimat, was zu einem starken Bevölkerungsrückgang führte. Heute leben weniger als 500 Menschen auf der Insel, die Gemeinde Vila do Corvo ist die einzige Siedlung auf der Insel.
Moderne Entwicklung und Tourismus
In den letzten Jahrzehnten hat sich Corvo wirtschaftlich und infrastrukturell entwickelt. Der Bau eines kleinen Flughafens in den 1980er Jahren hat die Anbindung an die anderen Azoreninseln erheblich erleichtert. Außerdem wurde in erneuerbare Energien und nachhaltige Landwirtschaft investiert, um die Abhängigkeit von Importen zu verringern.
Der Tourismus spielt heute eine wichtige Rolle in der Wirtschaft von Corvo. Die Insel zieht vor allem Naturliebhaber und Vogelbeobachter an, da sie ein wichtiger Rastplatz für Zugvögel ist. Der beeindruckende Krater „Caldeirão“ in der Mitte der Insel ist eine der Hauptattraktionen für Besucher. Wanderer können hier eine einzigartige Landschaft aus Seen, grünen Hügeln und steilen Klippen genießen.
Trotz dieser Fortschritte ist Corvo eine der abgelegensten und ruhigsten Regionen Portugals geblieben. Die Bewohner setzen auf nachhaltige Entwicklung, um ihre einzigartige Insel auch für künftige Generationen zu erhalten.
14. Jahrhundert
An der Stelle von Flores taucht auf alten Seekarten eine Insel mit dem Namen Insula Corvi Marini auf.
Corvo galt als Unterschlupf für Seeräuber. Heinrich der Seefahrer nannte sie Santa Iria.
1452
Corvo und Flores werden als die beiden letzten Inseln der Azoren von den Portugiesen entdeckt. Der Navigator Diogo de Teive kommt als Inselentdecker auf der Heimfahrt nach Portugal als Donatarkapitän auf Corvo an.
1453
Die ersten drei Dutzend Siedler sind auf der Insel aber die eigentliche Besiedlung beginnt erst Mitte des 16. Jahrhunderts.
1475
Fernao Teles de Meneses ist erster Donatarkapitän.
1503
Königin D. Maria überträgt die Herrschaft über die Insel an Guilherme da Silveira.
1504
Joao da Fonseca wird Donatarkapitän.
1548
Pero da Fonseca wird Donatarkapitän. Er treibt die Besiedlung der kleinen Insel erstmals voran und bringt Siedler vom portugiesischen Festland mit auf die Insel. Sie beginnen mit der Rodung der Insel, die bis ins 18. Jahrhundert andauert.
1570
Die erste Kirche wird errichtet.
1575
Goncalo de Sousa wird Donatarkapitän.
1593
Francisco de Mascarenhas wird Donatarkapitän.
1632
Türkische oder algerische Piraten überfallen die Insel. Die Bevölkerung aber bleibt wehrhaft. Zwei Corviten werden angeblich als Sklaven gefangen genommen.
1654
Antonio Vieira erleidet Schiffbruch und kommt mit einigen Karmelitermönchen und rund 40 Menschen auf die Insel.
1657
Martinho de Mascarenhas wird Donatarkapitän.
1691
Martinho de Mascarenhas wird Donatarkapitän.
1714
Algerische Piraten überfallen die Azoren. Sie morden und nehmen viele Gefangene. Als sie auf Corvo ankommen werden sie niedergeschlagen und fast hundert von ihnen sterben.
1723
Joao de Mascarenhas und danach Jose de Mascarenhas werden Donatarkapitän.
1815
Pedro Jose Caupers wird Donatarkapitän.
1830
Auf der Insel zählt man 3.000 Schafe.
Mai 1832
Portugals König Pedro IV. ist von der Treue und Herzlichkeit der Bevölkerung beeindruckt und läßt als Dank für die Unterstützung der Bevölkerung durch Minister Mouzinho da Silveira auch die Steuern auf die Weizenernte halbieren.
21. Juli 1832
Das Donatariat wird beendet. Vila Nova bekommt die Stadtrechte verliehen und bekommt eine eigene Verwaltung.
1841
Flores und Corvo werden nun gerichtlich zusammen verwaltet.
1845
Die erste Schule für Jungen wird eingeweiht.
1864
Corvo zählt mit 1.095 Menschen die höchste Bevölkerung seiner Geschichte. Zudem wird die erste Schule für Mädchen eingeweiht.
1865
Auguso Inacio Bicho von der Nachbarinsel Flores eröffnet das erste Lebensmittelgeschäft.
1874
Die erste Schule für Mädchen wird eröffnet.
1883
António Jose Rocha wird der erste Postler von Corvo.
Im 19. Jahrhundert suchen viele jüngere Corviten ihr Glück auf den Walfängerbooten. Eine Landfluchtwelle setzt ein, die bis ins 20. Jahrhundert anhält.
1907
Die Bevölkerung ist durch Emigration auf 330 Menschen gesunken.
1909
Die erste Funk-Telegrafiestation nimmt den Betrieb auf.
1924
Der Autor Raul Brandao und seine Frau besuchen die Insel. Nach einer langen Rundreise durch das Archipel der Azoren und Madeira veröffentlicht er sein umfangreiches Werk ‚As Ilhas Desconhecidas‘.
1963
Corvo bekommt eigenen Strom.
1973
Corvo wird an das Telefonnetz wird angeschlossen.
1984
Corvo verabschiedet als erste Insel der Azoren einen Bebauungsplan.
1993
Rund 500m vor der Nordostküste läuft ein portugiesischer Fischkutter auf eine Felsnadel auf und sinkt. Im selben Jahr wird der Flughafen errichtet.
2003
Die Käserei der Insel wird eröffnet.
2004
Corvo bekommt ein Altenheim.
2007
Ein neues Inselkraftwerk geht oberhalb der Stadt in Betrieb. Die Inselgeschichte wird dokumentiert im neuen Dentro de Interpretacao Ambiental und Cultural do Corvo mitten im Ort.
Corvo wird zum UNESCO Biosphärenreservat.
2008
Die Bibliothek wird eröffnet.
2009
Mit dem kleinen Fährboot Ariel gibt es erstmals eine ganzjährige, regelmäßige Fährverbindung.
2011
Am Ortsrand öffnet eine neue Multifunktionshalle für Veranstaltungen.
2012
Der Inselflughafen bekommt einen neuen Tower.
Fazit
Corvo hat eine faszinierende Geschichte, die von Entdeckungen, Besiedlung, Piratenüberfällen, wirtschaftlichen Herausforderungen und modernen Veränderungen geprägt ist. Die kleine Insel hat sich trotz vieler Widrigkeiten behauptet und bietet heute eine Mischung aus traditionellem Leben und sanftem Tourismus. Ihre isolierte Lage und die atemberaubende Landschaft machen sie zu einem besonderen Juwel im Atlantik.

